Geschichte | Jüdisches Krankenhaus Berlin
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Geschichte

Das Jüdische Krankenhaus an der Heinz-Galinski-Straße, im jetzigen Hauptstadtbezirk Mitte gelegen, ist das dritte Krankenhausgebäude, das die Jüdische Gemeinde in Berlin erbaut hat. In seiner 260-jährigen Geschichte symbolisiert das Jüdische Krankenhaus Berlin die Höhen und Tiefen deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur. Bedeutende Namen der medizinischen Wissenschaft und Forschung waren immer eng mit ihm verbunden. 

Als einzige jüdische Institution in ganz Deutschland hat das Jüdische Krankenhaus Berlin den Naziterror überstanden. Es ist die älteste Einrichtung, die von Menschen jüdischen Glaubens in Berlin geschaffen wurde und die immer noch in gleichbleibender Funktion besteht.

Im Jahre 1756 wurde das erste „ Krankenhaus“ der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Oranienburger Straße gegründet. Somit ist das Jüdische Krankenhaus neben der Charité das älteste und traditionsreichste Krankenhaus unserer Stadt. 

Das ursprüngliche Gebäude war vier Stockwerke hoch, 20 Fenster breit und hatte 12 Stuben. Arzt am Jüdischen Krankenhaus war der bekannte Arzt und Philosoph Marcus Herz. Nach einer Neuorganisation wurde es umbenannt in „Krankenverpflegungsanstalt der Jüdischen Gemeinde“. Wie auch die Charité war es eine Institution der Armenpflege. Seine Aufgabe war die Heilung, Pflege und Unterstützung der Armen. 

Erhebliche Raumprobleme machten einen Neubau erforderlich. Dieser wurde im Jahre 1857 von der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde beschlossen. Dem königlichen Baurat Eduard Knoblauch wurde der Entwurf für ein neues Jüdisches Krankenhaus anvertraut. Dieser hatte gerade die Synagoge in der Oranienburger Straße gebaut.

Im Jahre 1861 wurde das Jüdische Krankenhaus in der Auguststraße eröffnet. In Berlin und in Deutschland galt das Krankenhaus als eine vorbildliche und richtungsweisende Einrichtung der medizinischen Lehre, Forschung und Patientenversorgung. Bekannte Mediziner wie Ludwig Traube, Bernhard von Langenbeck, Hermann Strauß und James Israel behandelten im Jüdischen Krankenhaus. 

James Israel war eine anerkannte Kapazität mit internationalem Renommee auf dem Gebiet der Nieren- und Blasenchirurgie. Im Jahre 1915 reiste Israel nach Istanbul, um in geheimer Mission den Sultan Mohammed V. zu behandeln.

Die Einwohnerzahl Berlins wuchs zwischen 1885 und 1900 immens, von 1.315.000 auf 1.888.000. Die Zahl der in der Stadt lebenden Juden erhöhte sich von 64.383 auf 92.206. Die Anzahl der Patienten im Jüdischen Krankenhaus nahm ständig zu. Zudem wurden die Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten als Folge des medizinischen Fortschritts immer umfangreicher. Wiederum stand ein Krankenhausneubau an, der in der Schulstraße vollzogen wurde. Am 22. Juni 1914 wurde das neue Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde im Bezirk Wedding seiner Bestimmung übergeben.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann das traurigste Kapitel der traditionsreichen Geschichte des Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde. Die Juden wurden politisch, sozial und physisch verfolgt, jüdischen Ärzten wurde die Approbation aberkannt, sie durften nur noch Juden behandeln. Hermann Strauß und Paul Rosenstein stehen stellvertretend für viele berühmte Ärzte, die nach 1933 am Jüdischen Krankenhaus in Wedding tätig waren. 

Das Krankenhaus war Sammellager und Zwischenstation für die Transporte der Juden in die Konzentrationslager. Es wurde Ghetto, aber auch Zufluchtstätte für Untergetauchte. Zur Befreiung im Jahr 1945 sollen sich zwischen 800 und 1.000 Menschen innerhalb seiner Mauern versteckt gehalten haben.

Am 11. Mai 1945 wurde im Jüdischen Krankenhaus wieder ein Kind geboren. Das jüdische Leben in Berlin erwachte langsam wieder, aber der größte Teil der Überlebenden der Jüdischen Gemeinde wollte diese Stadt, dieses Land verlassen. Die wenigen  Gemeindemitglieder konnten ein 400-Betten-Krankenhaus finanziell nicht tragen. Im Jahr 1963 wurde das Jüdische Krankenhaus eine „Stiftung des bürgerlichen Rechts“.

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In den Krankenhausfluren, in den Patientenzimmern, in der Cafeteria kann man heutzutage ein Stimmengemisch der verschiedensten Muttersprachen vernehmen. Sprachprobleme sind im Jüdischen Krankenhaus die ganz große Ausnahme. Für beinahe jeden Patienten finden wir aus dem Kreise unserer Mitarbeiter immer jemanden, der die jeweilige Sprache spricht. Wir beschäftigen in allen Bereichen Mitarbeiter verschiedenster Nationalitäten und Glaubensrichtungen.

Vor dem Haus, am Eingang in der Heinz-Galinski-Straße, die Straße, die so viele jüdische Bürgerinnen und Bürger unseres Landes durchschreiten mussten, um anschließend in den Gestapo-Zellen auf ihre Deportation in die Vernichtungslager zu warten, zeugt eine Gedenktafel von den historisch bedeutsamen Ereignissen.

Auf dem Gelände des Krankenhauses, gleich am Eingang, steht eine Büste von Heinz Galinski. Er war langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und lange Zeit der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Die Büste soll ebenso wie die Straße, die nach ihm benannt wurde, an die herausragenden Verdienste eines Menschen erinnern, der sein persönliches Schicksal für die deutsch-jüdische Aussöhnung fruchtbar machte. Sie zeugt von Achtung und Respekt vor einem Menschen, seiner Kraft und Menschlichkeit, gerade in einer Zeit, in der Ängstlichkeit, auch gegen Übergriffe auf jüdische Einrichtungen, verbreitet ist und Mut und Zivilcourage zu schwinden scheinen. Heinz Galinski war ein Mensch, der nicht vergessen, aber vergeben konnte.

Im Krankenhaus ist die ständige Ausstellung "Erinnerung ist Gegenwart" zu sehen, die die lebendige und eindrucksvolle Geschichte des Krankenhauses dokumentiert. Beim näheren Hinsehen zeigen sich weitere Zeichen jüdischen Lebens. An den Pfosten der Eingangstüren zu den Bettenhäusern sind die Mesusah angebracht. 

Ein Rabbiner der Jüdischen Gemeinde besucht auf deren Wunsch unsere jüdischen Patienten. Auf Wunsch erhalten sie koscheres Essen. Geblieben ist das ungeschriebene Gesetz, für jüdische Patienten immer ein Bett bereitzuhalten. 

Gefeiert wird im Jüdischen Krankenhaus Berlin z. B. das Lichterfest, gemeinsam mit Patienten, Mitarbeitern, Kindern der jüdischen Grundschule und Freunden des Krankenhauses.

Im Jüdischen Krankenhaus befindet sich auch die Synagoge, die im Mai 2003 feierlich wiedereröffnet wurde. Sie steht als Bet- und Andachtsraum allen Menschen offen. Mit Rücksicht auf die Bilder und Spuren des Alten galt es, nicht etwas Neues zu tun, sondern das Bewährte neu zu tun. Gerade in Zeiten zunehmender Intoleranz gegenüber "Anderen und Fremden" wollten wir mit der Wiedereröffnung unserer Synagoge auch ein Zeichen setzen zur Verständigung und zur Förderung jüdischen Lebens in dieser Stadt. Der Förderverein "Freunde des Jüdischen Krankenhauses Berlin e.V." hat sich bei der Verwirklichung dieses lang gehegten Wunsches des Krankenhauses verdient gemacht, indem er durch eine groß angelegte Benefiz-Gala Spendengelder für den Wiederaufbau unserer Synagoge gesammelt hat. 

Das Jüdische findet sich auch in unserem Aufsichtsratsgremium, dem Kuratorium des Krankenhauses wieder. Unserer Satzung entsprechend sind dort neben den Vertretern des Senates und den Mitarbeitern des Hauses auch zwei Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vertreten.

Die Geschichte des Jüdischen Krankenhaus Berlin