Welt-Schlaganfall-Tag 2024 | Interview mit Oberarzt dr. med. Dávid Vadász, Facharzt für Neurologie im Jüdisches Krankenhaus Berlin | Jüdisches Krankenhaus Berlin
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Welt-Schlaganfall-Tag 2024 | Interview mit Oberarzt dr. med. Dávid Vadász, Facharzt für Neurologie im Jüdisches Krankenhaus Berlin

29.10.2024

Immer wieder spricht man davon, dass bei einem Schlaganfall jede Sekunde zählt. Was ist damit genau gemeint? Warum ist der Zeitfaktor so entscheidend?

dr. Vadász: „Bei einem akuten Schlaganfall gehen pro Minute Millionen Gehirnzellen unwiderruflich verloren. Je schneller die Behandlung beginnt, desto höher die Chance, das klinische Outcome und dadurch die Lebensqualität der Patient:innen zu retten. Dank moderner Behandlungsmöglichkeiten wie der Lysetherapie (eine Art blutgerinnselauflösende Infusion) und der Thrombektomie (mechanische Extraktion des Blutgerinnsels aus einem Hirngefäß mit einem Katheter) können wir vielen Patient:innen helfen – aber nur, wenn sie rechtzeitig ins Krankenhaus kommen. Optimalerweise soll sowohl die Lysetherapie als auch die Thrombektomie in den ersten Stunden nach Symptombeginn eingeleitet werden, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen.“   

Wenn man möglichst früh und schnell ärztliche Hilfe aufsuchen soll, wie erkennt man denn überhaupt einen Schlaganfall? Gibt es Frühwarnzeichen oder ganz typische Symptome?

dr. Vadász: „Ja, es gibt einige typische Symptome, die auf einen Schlaganfall hindeuten können. Eine einfache und effektive Methode, einen Schlaganfall zu erkennen, ist das FAST-Schema: 

  • Face (Gesicht): Herabhängende Gesichtshälfte / schiefer Mund?
  • Arms (Arme): Plötzlicher Schwäche / Taubheit in einem Arm?
  • Speech (Sprache): Sprache verwaschen oder unverständlich /    Schwierigkeiten, Worte zu finden?
  • Time (Zeit): Wenn eines dieser Symptome auftritt, zählt jede Sekunde. Sofort 112 rufen! Schnelles Handeln kann Leben retten.

Neben diesen Symptomen können auch noch plötzliche Sehstörungen, plötzlicher starker Kopfschmerz oder Gleichgewichtsstörungen auf einen Schlaganfall hindeuten.“

Welchen Vorteil haben Patient:innen im Jüdischen Krankenhaus mit der Zertifizierung als Überregionale Stroke Unit?

dr. Vadász: „Patient:innen, die in einem Krankenhaus mit einer überregionalen Stroke Unit – wie bei uns – behandelt werden, profitieren von mehreren entscheidenden Vorteilen:

Spezialisierte Teams: Überregionale Stroke Units haben erfahrene Neurolog:innen, Pflegekräfte und Therapeut:innen, die sich auf die Schlaganfallversorgung spezialisiert haben. Neben dem Kern-Team behandeln bei Bedarf Radiolog:innen, Kardiolog:innen, Gefäßchirurg:innen sowie Neurochirurg:innen den Schlaganfallbetroffenen mit. Schlaganfallversorgung ist Team-Arbeit.

Modernste Behandlungsmöglichkeiten: Fortschrittlichen Therapien, wie Lysetherapie, Thrombektomie und spezialisierte Bildgebung zur genauen Diagnose und Behandlung sind die Voraussetzungen für die besten Ergebnissen für die Patient:innen.

24/7 Verfügbarkeit: Rund-um-die-Uhr Bereitschaft für die Akutversorgung, wenn jede Sekunde zählt. Das Team ist immer bereit.

Interdisziplinäre Nachsorge: Intensive Nachbetreuung und Rehabilitationsplanung, die die Erholungschancen deutlich verbessern.

Insgesamt bedeutet dies schnellere, gezieltere und umfassendere Versorgung, um die bestmögliche Hilfe im Falle eines Schlaganfalls anbieten zu können.“

Gibt es etwas, was man selbst tun kann, um das Risiko für einen Schlaganfall zu minimieren?

dr. Vadász: „Ja, es gibt mehrere Maßnahmen, die man ergreifen kann, um das Risiko für einen Schlaganfall zu senken:

Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene, salz- und fleischarme Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Nüssen sowie ungesättigten Fettsäuren wie z. B. Olivenöl hilft, das Risiko zu senken. Dabei ist ein optimales Körpergewicht mit normalem BMI unumgänglich.

Gesunder Schlaf: Täglich 7 Stunden Schlaf ohne Unterbrechung oder künstliches Licht (Handy!) mit frühem Zubettgehen und regelmäßigen Bettzeiten ist für die Erholung des Gehirns entscheidend.

Regelmäßige Bewegung: Bereits eine moderate körperliche Aktivität, besser aber ein Intervalltraining über die mittlere körperliche Anstrengung hinaus, verringert das Risiko. Man kann dies als eine täglich halbstündige „Sporteinheit“ oder aber als „Training-Snacks“ über den Tag verteilt genießen.

Rauchen und Alkoholkonsum aufgeben: Beide gehören zu den meistgefürchteten und gefährlichsten Gewohnheiten gegen die eigene Gehirngesundheit. Mit beidem aufzuhören senkt das Risiko enorm.

Blutdruck-, Cholesterin- und Diabeteskontrolle: Mit einem gesunden Lebensstil (s. o.) kann man das Risiko für diese Volkskrankheiten und dadurch auch das Schlaganfallrisiko minimieren. Wenn jedoch einer oder mehrere von diesen bereits bestehen, muss man konsequent dranbleiben, diese dann ggf. auch medikamentös behandeln und regelmäßig kontrollieren lassen, um dem Schlaganfall keine Chance zu geben. Dabei ist der gesunde Lebensstil genauso entscheidend wie die Medikamente.            

Diese Maßnahmen senken nicht nur das Schlaganfall-Risiko, sondern fördern die allgemeine körperliche und mentale Gesundheit.“

Vielen Dank für das Interview, dr. med. Dávid Vadász!

Spezialisiertes Team Schlaganfallversorgung um dr. med. Dávid Vadász (1.v.l.) im Jüdischen Krankenhaus Berlin

Spezialisiertes Team Schlaganfallversorgung um dr. med. Dávid Vadász (1.v.l.) im Jüdischen Krankenhaus Berlin